Die Heimat ruft – April25
Ich habe die Tage in Valparaiso genutzt und alles Nötige für meine Rückkehr nach Deutschland organisiert. Die Ersatzteile, die hier auf mich gewartet hatten, sind am Motorrad verstaut und verzurrt, ein Stellplatz in Mendoza ist, zumindest per WhatsApp, organisiert und das Rückflug-Ticket von Mendoza nach München gekauft. Ich könnte also beruhigt die letzten 400km meiner Reise, die mich über den Grenzpass Los Libertadores nach Argentinien führen werden, in Angriff nehmen. Der Pass ist gut ausgebaut, mit 3220m nicht wirklich hoch und die Wettervorhersage günstig.
Aber es bleibt noch eine kleine Unwägbarkeit, die mich beunruhigt. Werde ich denn vom Argentinischen Zoll tatsächlich die benötigte temporäre Einfuhrgenehmigung mit 8 Monaten Dauer für mein Motorrad bekommen? Oder gibt es gar nur 3 Monate, so wie auf den beiden kleinen Grenzpässen Paso San Francisco und Aqua Negra, die ich erst vor 2 Wochen gefahren war. Das würde mich zwingen, noch weitere Fahrtage bis Uruguay einzulegen, um dort das Motorrad unterstellen zu können. Doch dazu habe ich echt keine Lust mehr, zu laut ruft jetzt die Heimat.


Aber ich habe Glück. Scheinbar gibt es an den kleineren Grenzen Argentiniens tatsächlich nur 3 Monate, und nur hier an der großen Grenze am Paso Los Libertadores bekommt man temporäre Einfuhrgenehmigungen mit 8 Monaten Dauer. Also nix wie weg, bevor es sich die arrogante und hochgradig unmotivierte Zöllnerin doch noch anders überlegt.


In Mendoza läuft dann alles wie geschmiert. In einer BMW-Werkstatt kann ich mein Motorrad nochmals durchchecken lassen und den Service, den ich im Oktober dort machen lassen werde, schon mal vor besprechen.


Am kritischsten ist jedoch der Stellplatz, auf dem das Motorrad bis zu meiner Wiederkehr im Argentinischen Frühling geparkt werden soll. Ich hatte bisher ja nur WhatsApp-Kontakt mit dem Vermieter. Aber es gibt den Stellplatz tatsächlich, er wirkt sehr vertrauensvoll und ist, wie man sieht, gut bewacht.


So, jetzt ist wirklich alles für meinen Heimflug organisiert und ich kann entspannt die Einladung eines Argentinischen Motorradfahrers zum Asado genießen und beim Besuch einer Weinkellerei meine Reise ausklingen lassen. Doch eine geführte Fahrradtour zu mehreren Bodegas verkneife ich mir. Was für eine Schnapsidee, ich muss am letzten Urlaubstag nicht noch betrunken vom Rad fallen.





Unglaublich, wie schnell 6 1/2 Monate vergangen und 24.000km gefahren sind, immerhin fast die Strecke Augsburg-Kapstadt und zurück. Ich war durch 6 Länder gekommen, die unterschiedlicher nicht sein könnten und von denen ich keines als das Beste hervorheben möchte, auch wenn das die Locals immer wieder gerne gehabt hätten. Es gab ausschließlich freundliche und bereichernde Begegnungen und aus den Motorradfahrer-Communities in Europa, Nord- und Südamerika scheinen sich auch nur die Netten auf solch große Reisen zu begeben.
Und weil ich das so oft gefragt wurde: ja klar fühlte ich mich, nachdem Marion nicht mehr weiter durfte, manchmal alleine und unsicher. Zu zweit kann man sich gemeinsam freuen, sich auch mal gegenseitig pushen und anstehende Entscheidungen besprechen – Marion hatte eine untrügliches Gespür für das beste Hotel in der Stadt – aber was soll’s, alleine ist immer noch besser als gar nicht – und mit dem Schreiben dieses Blogs konnte ich ja so manche einsame Stunde füllen. Daher vielen Dank auch Euch, dass Ihr mir so eifrig gefolgt seid. Hier ist jetzt erstmal Schluß, die Luft ist endgültig raus und ich freu mich auf daheim, auf Familie und Freunde, FCA, Augschburg und lecker Essen, und am allermeisten auf … Ruhe … Ruhe … Ruhe, denn in Südamerika war es, zumindest für meine Deutschen Ohren, schon oft unangenehm laut.
Aber so wie mich kenne, werde ich spätestens in 2 Wochen wieder unruhig werden und mit der Planung für Teil2 meinr Südamerika-Reise beginnen. Es lohnt sich also, ab Oktober hier im Blog wieder vorbeizuschauen! Das dahin!

Zurück nach Valparaiso, wo alles anfing – März/April25
Es ist jetzt Anfang März, von Peru kommend bin ich gerade in Chile eingereist und es wird Zeit, einen Plan zu machen, wie es denn nun weitergehen soll. So langsam bin ich satt vom Reisen, bin kaum mehr aufnahmefähig für Neues und vermisse zusehends Familie, Freunde und mein geliebtes Augsburg. Auf der anderen Seite habe ich den ganzen Süden Südamerikas, v.a. Patagonien noch gar nicht gesehen. Was also tun? Nun, da gibt es nur eine Lösung! Ich fliege zeitnah zurück nach Deutschland, verbringe den Sommer in der Heimat und lasse das Motorrad irgendwo hier in Südamerika stehen, um dann mit dem Beginn des Südamerikanischen Sommers ab Oktober die Reise wieder fortzusetzen. Aber wo kann ich denn das Motorrad 6 oder gar 7 Monate stehen lassen? Ein Stellplatz ist sicherlich gleich gefunden. Doch die meisten Zollbehörden Südamerikas geben den Fahrzeugen der Reisenden nur eine temporäre Einfuhrgenehmigung von 3 Monaten. Einzig Argentinien und Uruguay sind mit 8 bzw. 12 Monaten eine Ausnahme. Die Argentinische Stadt Mendoza bietet sich daher als Endpunkt meiner Reise an. Sie liegt gleich an der Grenze zu Chile und gute Tipps, um das Motorrad unterstellen zu können, habe ich auch schon bekommen.
Die 5 Wochen bis dahin fühlen sich wie ein kurzes Wochenende an und ich verfalle schon fast in Hektik, denn es gibt vorher noch einiges zu organisieren. V.a. muss ich vorher noch nach Valparaiso, der großen Hafenstadt bei Santiago de Chile, wo meine Reise begann und ich mein Motorrad Anfang Oktober aus dem Hafen holte. Nicht wissend, dass man in Chile wirklich alles kaufen kann, hatte ich damals mein Motorrad während der Überfahrt im Schiffscontainer mit Ersatzreifen und Verschleißteilen vollbepackt. Die Teile konnte ich dankenswerterweise bei Ronny, dem lokalen Partner meiner Spedition, unterstellen. Ich möchte sie jetzt natürlich abholen, um das Motorrad in Mendoza fit für den zweiten Teil meiner Reise zu machen. Das passt eigentlich ganz gut, hatte ich doch im Herbst24 von Chile so gut wie gar nichts gesehen. Doch die Panamericana nach Valparaiso führt durch die am Pazifik sehr öde Atacamawüste und auch die Küstenstädte Nordchiles sind bis auf ein paar nette Stadtstrände nicht wirklich einladend, weil hektisch und laut.



Daher biege ich gleich auf Chiles nördlichsten Andenpass, den Paso Chungara-Tambo Quemado ab, der mich in das auf 4000m gelegene Altiplano bringt. Von da möchte ich, immer der Grenze zu Bolivien folgend, auf einer 200km langen Piste zum Salar de Surire und den daneben gelegenen heißen Thermalquellen Polloquere fahren, wo ich in den Neunzigern schon mal auf einer Backpackertour war.





Damals, mit Mitte 30, war ich mit meinem geländegängigen Leihwagen unerschrocken einfach losgefahren, heute mit meinem schweren Motorrad möchte ich den einsamen Schotterweg nicht alleine fahren. Doch ich habe Glück! Seit Wochen hatte ich keine anderen Motorradfahrer mehr gesehen und just heute treffe Andreas und Volker aus Norddeutschland, die das gleiche vorhaben und mich mitnehmen. Der erste Teil der Strecke ist wegen einer weggeschwemmten Brücke nicht befahrbar, aber ein netter Taxifahrer malt uns schnell eine Karte mit einer Umleitung auf und so kommen wir vor Einbruch der Dunkelheit noch rechtzeitig zum Salar und den Thermalquellen, um unsere Zelte einigermaßen windgeschützt aufstellen zu können. Unterwegs konnten wir uns in einem kleinen Dorf Gott sei Dank noch mit frischen Brot eindecken, denn wegen der dünnen Höhenluft funktioniert der Kocher meiner Begleiter nicht wirklich, um uns lecker Nudeln mit Tomatensauce zu kochen. Die Nacht im Zelt ist auf 4250m zum Glück nicht so kalt wie befürchtet, denn der ständige Wind weht von den heißen Quellen nach Schwefel stinkende, aber warme Luft in unsere Zelte.








Am nächsten Morgen sind auf unserem Weg wieder runter zur Atacamawüste noch ein paar Furten zu durchqueren, die mit ca. 30cm Tiefe eigentlich harmlos aussehen und leicht zu befahren wären. Aber eine vorherige Inspektion ist dennoch sinnvoll, um den besten Weg durch die Furt zu finden. Oft liegen große, aber nicht erkennbare Steine in den Furten oder die Durchfahrten haben einen moosigen und daher rutschigen Untergrund aus Beton, aus dem der Betonstahl schon rausschaut und unsere Reifen aufschlitzen könnte. Die Furten schaffen wir ohne Probleme, aber Volkers eigentlich harmloser Umfaller in einer Kurve zeigt uns später, wie gut es ist, solch einsame Pisten nicht alleine zu fahren. Seine Honda liegt in der etwas abschüssigen Kurve so unglücklich kopfüber, dass wir sie selbst zu dritt kaum hochbekommen. Da helfen die vielen schlauen YouTube-Videos, wie man ein Motorrad auf einem Supermarktparkplatz aufhebt, auch nichts.




Unten im Tal trennen sich unsere Wege schon wieder. Die Jungs wollen wieder hoch auf den Altiplano zum Zelten, während ich in der Atacamawüste eines der großen Chilenischen Observatorien besichtigen und anschließend die beiden höchsten Grenzpässe Paso San Francisco und Paso del Agua Negra befahren möchte, die im Oktober wegen Schnee noch geschlossen waren. Auf dem Weg dahin komme ich an der sog. Manu del Desierto, der Hand der Wüste vorbei, einer Skulptur zur Ermahnung, mit den Umweltsünden aufzuhören, bevor die ganze Erde zur Wüste wird. Ich bezweifle, ob sich die vielen Brasilianischen Motorradfahrer, die man hier trifft, der tieferen Bedeutung der Skulptur bewusst sind. Aber lustig ist es mit den kontaktfreudigen Brasilianern allemal.


In der Atacamawüste gibt es eine ganze Reihe an Observatorien, da es hier die weltweit besten Bedingungen für Astronomische Beobachtungen gibt. Das Observatorio Cerro Paranal wird von der Europäische ESO betrieben und kann nur Samstags mit vorheriger Online-Buchung besucht werden. Leider gibt es erst für Führungen in 2 Wochen wieder Tickets. Aber kein Problem, mit einem Ticket aus der Zukunft bin ich immerhin registriert und darf daher an der spannenden Führung teilnehmen. Die Dimensionen der Teleskope sind beeindruckend. Alles erinnert ein bisschen an Raumstationen in Science Fiction Filmen, insbesondere die futuristische Unterkunft, in der die rund 130 Arbeiter und Wissenschaftler ihre Freizeit während der wochenlangen Schichten verbringen.




Eigentlich gäbe es ja in der Atacamawüste mit der Mina de Chuquicamata noch die größte offene Kupfermiene der Welt zu besichtigen, aber da ich bereits in den 90ern in der Miene war, spare ich mir den Umweg und fahre gleich nach Copiapo weiter, wo der Paso San Francisco anfängt.

Mein Plan ist es, am nächsten Tag den Pass rüber nach Argentinien zu fahren und zwei Tage später über den Paso de Agua Negra wieder zurück nach Chile. Beide Pässe sind über 4700m hoch, gut ausgebaut und einigermaßen frequentiert, so dass ich die Überfahrten auch alleine wagen kann. Ich kann mich noch an den Reisebericht eines deutschen Motorradredakteurs erinnern, der am San Francisco große Probleme hatte, weil die Chilenische Grenzstation nur Dienstags und Freitags offen war. Aber Chile wird ja als das Deutschland Südamerikas bezeichnet und so glaube ich mal dem großen Schild, das eine offene Grenze von Montag bis Freitag ankündigt. Der Pass ist 470km lang und ohne jegliche Versorgung. Meine BMW hat eigentlich eine Reichweite von über 500km. Aber vorsichtshalber decke ich mich noch mit einem Ersatzkanister und ordentlich Proviant ein, man weiß ja nie. Und tatsächlich, es ist Montag und die Chilenische Grenze macht erst morgen, am Dienstag wieder um 9:00 auf. Aber nochmals zurück nach Copiapo zu fahren habe ich keine Lust, zumal der geschäftige Hausmeister der Grenzstation mir und den anderen gestrandeten Brasilianischen Bikern Schlafplätze in einem Bettenlager anbietet. Das verspricht einen lustigen Abend, auch wenn ich leichtsinnigerweise ohne Bier losgefahren war und so gar nicht dem Brasilianischen Klischee eines Deutschen entspreche. Während des ständigen Gerüttels auf der Passstraße habe ich wohl eine Schraube an meiner Scheinwerferhalterung verloren. Ersatz ist hier oben keiner aufzutreiben, bis wir eine fast baugleiche Unfallmaschine auf dem Zollhof entdecken, von der ich die passende Schraube abmontieren kann.




Die Nacht ist zum Glück frei von Kleintieren in den Matratzen und um 8:00 stehen wir bei windigen -3° schon am Grenzgebäue an. Das Warten hat sich gelohnt. Da sich der 4720m hohe Pass auf über 470km hinzieht, wirkt er bei strahlendem Sonnenschein leicht und harmonisch, die Aussicht auf die spiegelglatte grüne Oberfläche der Laguna Verde und die über 6000m hohen Berggipfel darum herum tun ihr Übriges und die Fahrt runter in die deutlich wärmere Argentinische Pampa ist eine reine Freude.









Ganz anders der Paso de Agua Negra, der mich 2 Tage später wieder zurück nach Chile bringt. Mit 4780m genauso hoch wie der San Francisco, ist er nur halb so lang und wirkt bei nun eisigem Wind rau und hart. Während ich den Pass mit dem Motorrad locker ohne Übernachtung schaffe, müssen die beiden Münchner Radler, die ich in dieser unwirtlichen Gegend überhole, bestimmt 3x Zelten. Und trotzdem strahlen die beiden um die Wette, als gäbs nix schöneres.








Der Paso de Agua Negra endet in Chile schlussendlich in Tälern, in denen im großen Stil Weintrauben für den Pisco-Weinbrand angebaut werden. Es wurde sogar extra ein Dorf auf den den Namen Pisco Elqui getauft, um den Versuch Perus, Pisco als Warenzeichen schützen zu lassen, abzuwehren.


Von Pisco Elqui sind es noch ein paar Stunden Fahrt bis Valparaiso, wo meine Reise vor genau 6 Monaten begann. Eigentlich wollte ich hier ja nur meine Motorradteile, auf die Ronny dankenswerterweise gut aufgepasst hat, abholen und damit dann gleich nach Mendoza in Argentinien verschwinden. Aber die ach so gefährliche Hafenstadt Valparaiso gefällt mir mit ihren vielen bunten Graffitis so gut, dass ich gleich 4 Tage bleibe.




Der Hanseat Niels führt hier oben in der Altstadt ein Hotel, das eine Aussicht auf den Hafen hat, von der ich mich einfach nicht satt sehen kann und das gute Frühstück in Marions Café-Alemán 2 Straßen weiter macht mir den Abschied auch nicht leichter. Aber es hilft ja nichts, ich muss endlich weiter. Die Heimat ruft, in der es offensichtlich langsam Frühling wird.








