#4 Ecuador – Dez24

Über Ersatzteile und Leberkäs – Dez24

Seit der Laguna de Quilotoa will meine BMW morgens nicht mehr anspringen, die Batterie ist leer. So ein Ärger. Ist die Batterie kaputt? Das wäre ein lösbares Problem, aber ärgerlich, hatte ich die teure Deutsche Qualitätsbatterie erst kurz vor Abreise getauscht. Oder aber die Lichtmaschine lädt nicht hinreichend, was mehr Aufwand bedeuten würde, v.a. wo bekomme ich hier so schnell neue Lichtmaschine her? Zum Glück gibt es in der Millionenstadt Quito so gut wie alles zu kaufen. Und das WhatsApp- und Facebook-Netzwerk der Motorradreisenden funktioniert in Südamerika hervorragend. Ruckzuck ist eine BMW-Werkstatt gefunden und der Fehler ausgemessen: ist es nur die Batterie, die schnell getauscht ist. Und weil ich schon dabei bin, gibt es beim lokalen Touratech-Händler noch einen Satz neue Heidenau-Reifen. 

Viele Motorradfahrer in Ecuador haben ihr Nummernschild verdreht montiert, weil es sonst nicht an die Nummernhalter ihrer Chinesisches Motorräder passen würde. Welche Folgen das wohl in Deutschland hätte?


Die Stadt hat natürlich noch mehr zu bieten als nur Ersatzeile, z.B. die von den Spaniern erbaute Altstadt mit ihren Plätzen und Kirchen. Beindruckend sind v.a die Basilika mit ihren steilen Aufstieg auf die Türme und die Iglesia la Compañía, die komplett vergoldet scheint. Geschickte Malerei täuscht neben einer echten Wendeltreppe noch eine zweite vor.

In einer kleinen Schokoladenmanufaktur bekomme ich eine kostenlose Führung über alle Schritte der Schokoladenherstellung. Die Tafel selbst ist dann mit 6$ nicht mehr ganz so günstig. Ecuadors offizielle Landeswährung ist übrigens der US- Dollar!

So schön die Altstadt ist, die große Stadt hat auch was Bedrückendes. Alle Häuser sind zumindest in der Nacht komplett verriegelt, man wird ständig ermahnt, aufzupassen und z.B. Uber statt Taxi fahren, weil Uberfahrer ja registriert wären. Überall sind Polizeistreifen zu sehen und in einem durchaus noblen Restaurant werde ich erstmal gefilzt und nach meinem Pass gefragt, bevor mir Einlass gewährt wird. Die Arbeitslosigkeit muss hoch sein, denn es gibt viele Menschen, die auf der Straße alles mögliche verkaufen, vom Obst über ganze Weihnachtskrippen bis zum Selbstgekochten. Die Diskrepanz zwischen Arm und Reich zeigt sich auch in den Preisen. Für gut 3$ gibt es beim Venezueler ums Eck ein vollwertiges Essen oder im schicken Café einen kleinen Cappuccino.

Es ist Mitte Dezember und das nahende Weihnachtsfest zeigt sich an den vielen, bunt geschmückten Christbäumen. Von der bei uns schier unerträglichen vorweihnachtlichen Kommerzschlacht bleibt man in Südamerika zum Glück verschont, dafür geht es in den Kirchen umso heftiger zu! In einer liefern sich zwei Mexikanisch anmutende Ecuadorianische Bands einen akustischen Wettbewerb, der seinesgleichen sucht, aber die Gläubigen zum Weinen bringt. Bei uns würde das dem verantwortlichen Pfarrer wohl den Job kosten.

2 Fahrstunden nördlich von Quito hat der Hamburger Hans an der Laguna Yahuacocha eine gemütliche Finka aufgebaut, die sich zum Treffpunkt für uns Weltreisende etabliert hat. Hier können wir unsere Erfahrungen austauschen und von Hans die nötigen Infos für die nahe Grenze nach Kolumbien bekommen. Man kann Zelten oder eines seiner schicken Tiny-Häuser mieten. Besonders haben es mir aber die vielen Biere angetan, die Hans aus der Heimat importiert, nebst selbst gemachten Leberkäs und Kuchen, die er sogar auf dem lokalen Wochenmarkt verkauft.

Da Hans die richtige Figur für einen Weihnachtsmann abgibt, muss er Abends für ein Fotoshooting herhalten. Mit den Bildern soll für einen Intimrasierer für Männer geworben werden. Hmmm? Den Zusammenhang zwischen Weihnachtsmann und dem Produkt habe ich nicht so ganz verstanden, ein lustiger Abend ist es allemal.

Sonntage sollte ich eigentlich als Reisetage vermeiden, denn da schwärmen die Einheimischen aus, gehen ihren Hobbies nach und es gibt meist viel zu beobachten. So gibt es in der Nähe der Finka eine Rennstrecke für Dirt-Cars, auf der sich Männer, die als Kind zu wenig im Dreck spielen durften, austoben können. 😉

Kurz vor der Grenze nach Kolumbien gibt es noch den großen und sehr gepflegten Friedhof von Tulćan  zu besichtigen. Nach meinem Rundgang warten neben meinem Motorrad schon andere Motorradfahrer auf einen Ratsch! Unglaublich, wie kontaktfreudig die Menschen hier sind. Und hilfsbereit, denn die Motorradfahrer schenken mir gleich noch ein Fläschchen Oktanbooster für Kolumbien, weil es dort wohl nicht immer guten Sprit gibt.

Wo genau in Ecuador ist denn nun der Äquator? – Dez24

Wenn unsereins in Länder auf der Südhalbkugel reist, fliegt man typischerweise, ohne auf einer Flughöhe von 10000m auf die Überquerung des Äquators zu achten. Daher stelle ich es mir bewegend vor, hier in Ecuador den Äquator mit dem eigenen Fahrzeug zu überqueren! 

Zum Glück wurde ja bereits 1736 der Äquator von Französischen Wissenschaftlern vermessen und dann in den 70ern genau auf der Äquatorlinie ein Monument mit dem wohlklingenden Namen „La Mitad de Mundo“, also dem Mittelpunkt der Welt, errichtet. In dem Gebäude zeigt ein kleines Museum ein paar Bilder vom Ecuadorianischen Amazonasgebiet, vermittelt aber leider kein Hintergrundwissen über den Äquator selbst. So muss der Ingenieur im Ruhestand halt selbst die genaue Position der gezeigten Äquatorlinie überprüfen und stellt schnell fest, dass sich die Franzosen damals vermessen hatten. Ok, sie hatten zu der Zeit noch kein modernes Smartphone mit GPS zur Verfügung sondern mussten die Position des Äquators mit Sonnenstand und Schatten bestimmen. Da sind Messfehler von einigen Hundert Meter prinzipiell zu erwarten.

Ein cleverer Geschäftsmann hat das erkannt und in Sichtweite des Monuments ein zweites Museum gebaut, natürlich exakt auf der Äquatorlinie. Es gibt ebenfalls einen Bereich, der über das Amazonasgebiet informiert. Es sind u.a. Schrumpfköpfe aus dem Amazonasgebiet zu sehen, die einige indigene Völker früher aus den Köpfen getöteter Feinde herstellten. Während es die Schrumpfköpfe tatsächlich gibt, sind die Geschichten über den sog. Penisfisch nicht nachweisbar und eher als Effekthascherei des Museums zu betrachten. Angeblich werden die Fische beim ins Wasser Urinieren angelockt, können in die Harnröhre einschwimmen und sich dort verbeißen. Welche Schmerzen das dem Opfer bereitet, muss ich hier nicht schildern. Auf jeden Fall wäre das Problem bei Männer dann nur noch durch Kastration lösbar. Es ist zwar noch kein einziger Fall wissenschaftlich belegt, dennoch binden sich bei einigen indigenen Völkern die Männer den Penis hoch oder zu, um sicher zu gehen, dass dergleichen nicht passiert. … Passt also auf, wenn ihr das nächste Mal baden geht! 😉

Ähnlich skurril sind die Äquator-Experimente, die hier gezeigt werden. Sie sind entweder manipuliert oder haben mit dem Äquator rein gar nichts zu tun und funktionieren überall auf der Welt, wie z.B. der kinesiologische Muskeltest. Oder das Eierexperiment, für dessen erfolgreicher Durchführung ich sogar ein Zertifikat bekommen habe. Man versucht, ein rohes Ei auf einen Nagel, der exakt auf dem Äquator eingeschlagen wurde, zu stellen, was angeblich nur hier funktionieren kann, weil es auf der Äquatorlinie keinen Corioliseffekt gibt. Das ist natürlich Blödsinn, das Experiment funktioniert überall auf der Welt. Der theoretische Corioliseffekt auf ein Ei ist zu gering, um das Experiment zu beeinflussen. Ähnlich verhält es sich mit dem Wasserstrudel im Abfluss eines Waschbeckens. Angeblich geht der Strudel auf der Nordhalbkugel gegen den Uhrzeigersinn, im Süden mit dem Uhrzeigersinn und auf dem Äquator gibt es gar keinen Strudel. Was mit den großen Luftmassen von Wirbelstürmen abseits des Äquators funktioniert, funktioniert sicher nicht in einem kleinen Waschbecken, das mal eben auf und dann 2m nördlich und südlich der Äquatorlinie gestellt wird. Die gewünschte Strömung im Waschbeckenabfluss wird von den Museumsmitarbeitern ganz einfach durch den Schwung beim Eingießen des Wassers aus einem Kübel erzeugt!

,Aber nichtsdestotrotz ist der Besuch der beiden Museen spannend und nach den vielen Tausend gefahrenen Kilometer seit dem Start in Chile ist es ein bewegender Moment für mich, mit dem eigenen Fahrzeug von einer Halbkugel auf die Andere zu fahren, nachdem ich das auf meinen vielen Afrikareisen in den 90ern nie geschafft hatte.

Übrigens, wer Zweifel an meinen Ausführungen über die Äquator-Experimente hat, kann diese gerne im Gästebuch diskutieren!



Entdeckungen in einem neuen, unbekannten Land  – Historische Stadt Cuenca – Dez24


Ich habe Glück, die 40km lange Schotterstraße bis Zumba, der ersten Stadt nach der Grenze mit Hotel, schaffe ich gerade noch so bevor es dunkel wird, denn hier in Äquatornähe ist die Dämmerung kurz, es wird schnell dunkel. Bei Dunkelheit wäre das bestimmt ein gefährliches Unterfangen geworden.

Das neue, unbekannte Land Ecuador empfängt mich freundlich und sympathisch! Zumba wirkt sehr lebendig, aus vielen Läden hört man Musik spielen und man kommt mit den Leuten schnell ins Gespräch. Ich sehe kaum mehr Müll auf der Straße, die Anwesen sind meist schön mit Blumen und Hecken hergerichtet und die nervigen und unberechenbaren Dreiradtaxis sind aus dem Straßenverkehr verschwunden. Kurzum, ein guter Start in ein neues, unbekanntes Land, ich freue mich auf mehr.

Die heutzutage unverzichtbare lokale SIMcard ist gleich installiert. An was ich mich aber erst gewöhnen muss, sind die täglichen Stromabschaltungen, die in jeder Stadt zu einer anderen Zeit stattfinden. Ecuador bezieht seinen Strom fast ausschließlich aus Wasserkraft und wegen des Klimawandels regnet es zu wenig, um die Stromversorgung zuverlässig sicherstellen zu können. Da können die paar Windkrafträder auch nichts ausrichten. Aber die Ecuadorianer haben sich natürlich darauf eingestellt, im Hotel gibt es Kerzen, die Restaurants und Geschäfte haben laut röhrende Benzin-Generatoren vor der Tür stehen und selbst der mobile Eisverkäufer hat einen kleinen Generator in sein Lastenfahrrad eingebaut. 

Ecuador besteht im Prinzip aus den Regionen Pazifik, Anden und Amazonas. Auf meinem Weg noch Norden bewege ich mich aber nur in den Anden, in denen sich die von Alexander von Humboldt benannte „Allee der Vulkane“ durchzieht. Doch leider ist es immer bewölkt, ich kann keinen der bis zu 5500m hohen, teilweise auch verschneiten und manchmal auch aktiven Vulkane sehen. Da hat der Klimawandel wenigstens auch mal einen Vorteil, obwohl die Wolken oft drohend tief hängen, regnet es selten.

Immerhin meint es das Wetter an der Laguna de Quilotoa, einem Kratersee, gut mit mir und reißt am Nachmittag kurz auf, so dass ich den Spaziergang vom Kraterrand runter zum See bei schönster Sicht machen kann. Wobei Spaziergang wohl der falsche Ausdruck ist, da die 270m Höhenmeter zurück auf den 3880m hohen Krater ganz schön anstrengend sind.

Cuenca, die drittgrößte Stadt Ecuadors wurde 1557 von den Spaniern gegründet. Die wunderschöne Altstadt reiht sich, wie immer in den von den Spaniern gegründeten Städten, in einem Schachbrettmuster um den Zentralplatz „Plaza Major“, an dem sich dann typischerweise die größte Kirche der Stadt befindet. Wie in allen touristischen Städten dieser Welt gibt es auch hier die oben offenen Touristenbusse, die einem während einer Stadttour einen guten ersten Eindruck über der Stadt vermitteln. Die Straßen um den Plaza Major sind weihnachtlich geschmückt und am Samstagabend wie bei uns voll mit Menschen. Den Leuten scheinen die laute Musik und die komischen Masken, mit den man sich fotografieren lassen kann, zu gefallen. Ich find’s etwas schräg. Glühwein und Früchtepunsch suche ich leider vergebens, dafür gibt es aber frisches Obst.

Cuenca ist eines der Zentren für die Herstellung der sog. Panama-Hüte, da das für die Herstellung benötigte Toquillahstroh in Ecuador angebaut wird. Diese Hüte werden traditionell noch in Handarbeit geflochten. Nur das anschließende Bügeln und Blocken, um den Hut in die richtige Form zu bringen, wird maschinell gemacht. Es hat mehrere Gründe, warum der aus Ecuador stammende Hut ausgerechnet Panamahut heißt. Einer davon sind Fotos von US- Präsident, die um die 1906 Welt gingen, als er damals mit einem Ecuadorianischen Toquillah-Strohhut auf dem Kopf den Panamakanal besichtigte. Ich würde mir ja gerne einen Panama-Hut kaufen, aber wie soll ich den nur auf dem Motorrad verstauen.